Für den Winter 2025/26 rückt ein mögliches Sudden Stratospheric Warming (SSW) als wichtiger Risikofaktor für die Energiemärkte in den Fokus. Vereinfacht gesagt: Bei einem SSW gerät der „Kälteschutzring“ um die Arktis, also der Polarwirbel, aus dem Gleichgewicht und kalte Luft kann deutlich leichter in Richtung USA, Europa und Asien ausbrechen. Passiert das bereits im Dezember, steigen die Chancen für mehrere Kältewellen im weiteren Winterverlauf spürbar an. Für Gas- und Strommärkte bedeutet dies, dass Heiznachfrage kurzfristig deutlich zulegen kann, während die Angebotsseite nur begrenzt flexibel reagieren kann und damit Preisanstiege und höhere Volatilität wahrscheinlicher werden. In Europa könnten die ohnehin angespannten Gaspreise zusätzliche Kälteschocks erfahren, besonders in Nord- und Mitteleuropa, wo verstärkter Verbrauch die Speicher schneller leeren könnte. In den USA würde ein kälterer Winter auf bereits steigende Stromnachfrage durch Rechenzentren und künstliche Intelligenz treffen, was Großhandelspreise weiter in die Höhe treiben kann. Gleichzeitig erlebt der US-Markt bereits die ersten spürbaren Auswirkungen: US-Erdgasfutures für Dezember haben ein Viermonatshoch erreicht, getragen von einem frühen Kälteeinbruch sowie kräftigen LNG-Exportflüssen. In Asien, vor allem in China und Japan, könnte ein kälterer Winter die Gasnachfrage erhöhen und den globalen LNG-Markt zusätzlich unter Druck setzen, wodurch sich Preisspitzen über die regionalen Märkte hinweg bilden könnten. Aus Handelssicht ist ein SSW daher kein meteorologisches Detail, sondern ein potenzieller Trigger für kurzfristige Preisrallys.
Nach Bloomberg Analysteneinschätzungen wird in den USA mit den ersten deutlicheren Kälteimpulsen ab Mitte bis spät Dezember gerechnet, besonders im Norden von der Pazifikküste bis Neuengland. Für Europa sehen die Modelle trotz insgesamt milder Grundtendenz eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für wiederholte Kältephasen im Dezember und Januar, insbesondere in Nord- und Mitteleuropa, wo blockierende Wetterlagen häufiger auftreten könnten.
Einschätzung von Energy Weather: ".... es ist nicht sicher ob es zu einen Stratospheric Warming Event kommt. Unabhängig davon sehen wir einen deutlichen Rückgang der stratosphärischen Winde in den nächsten zwei Wochen und damit eine gestörte Zirkulation. Nächste Woche hat dies ein Blocking auf dem Atlantik zur Folge, das Europa einen Kaltlufteinbruch beschert. In der KW 48 sehen die Modelle eine zunehmende Tiefdruckaktivität, die verspätet und kurzlebig sein könnte. In der KW 49 könnte dann wieder ein Blocking entstehen, diesmal weiter östlich bei UK oder über Zentraleuropa. Damit würden dann auch die Risiken für eine Dunkelflaute wieder steigen. Also kein erneuter Kaltlufteinbruch für Europa, aber ein erhöhtes Risiko für eine windschwache Phase."
Die Grafik im Anhang zeigt die Temperaturabweichung in etwa 10 hPa Höhe in der Stratosphäre für den 24. November 2025. Das große rote Gebiet über der Arktis steht für deutlich höhere Temperaturen als im Mittel und signalisiert ungewöhnlich starke Erwärmungstendenzen, ein typisches Frühzeichen dafür, dass der Polarwirbel unter Druck gerät und sich abschwächt. Die umliegenden blauen Bereiche markieren kältere Zonen und verdeutlichen, dass die Zirkulation in der Stratosphäre stark umgebaut wird. Insgesamt deutet dieses Muster auf eine mögliche stratosphärische Erwärmungsphase hin, die ein Sudden Stratospheric Warming ankündigen kann.