IEA: World Energy Outlook 2025

November 14, 2025

Der kürzlich veröffentlichte World Energy Outlook 2025 der IEA umfasst 520 Seiten geballter Analysen und rückt die Energiesicherheit wieder ins Zentrum, nicht nur bei Öl und Gas, sondern auch bei Strominfrastruktur und kritischen Mineralien. Die IEA hebt dabei zunehmend die Verwundbarkeit der Stromsysteme hervor, von Netzausbau und Reservekapazitäten über Cyberangriffe und Extremwetter bis hin zu Engpässen bei Netzkomponenten. Für Politik und Unternehmen wird damit nicht nur die Dekarbonisierung zu einer zentralen strategischen Aufgabe. Genauso wichtig ist die Robustheit des elektrischen Systems. In allen Szenarien steigt der Bedarf an Strom und Energiedienstleistungen weiter. Unterschiedliche Technologien, Politikpfade und Risiken führen dabei zu sehr verschiedenen Verläufen bei Preisen, Handelsströmen und Emissionen.

Szenarien Überblick

Der Bericht arbeitet mit drei Hauptszenarien. Im Current Policies Scenario werden nur bereits umgesetzte Maßnahmen berücksichtigt und die Transformation verläuft eher langsam.

Im Stated Policies Scenario fließen zusätzlich angekündigte aber noch nicht voll implementierte Politiken und Strategien ein und es gilt damit als pragmatischer Main Case.

Das Net Zero Emissions by 2050 Scenario beschreibt einen Pfad zur Begrenzung der Erwärmung auf etwa 1 Komma 5 Grad mit sehr schneller Dekarbonisierung.

Energiesicherheit und Mineralien

Energiesicherheit wird deutlich breiter verstanden. Neben klassischen Angebotsrisiken bei Öl und Gas rücken kritische Mineralien in den Mittelpunkt. Das zentrale Risiko ist die starke Konzentration in der Verarbeitung. China dominiert als einzelnes Land die Raffination von 19 von 20 strategischen Mineralien mit rund 70 Prozent Marktanteil und mehr als die Hälfte dieser Rohstoffe unterliegt inzwischen Exportkontrollen. Diese Mineralien sind entscheidend für Stromnetze Batterien Elektrofahrzeuge aber auch für Halbleiter Luftfahrt und Verteidigung. Marktkräfte allein werden diese Konzentration nicht auflösen. Ohne gezielte Industrie und Handelspolitik bleibt die Abhängigkeit von wenigen Anbietern hoch und wird damit zu einem harten geopolitischen Hebel. Parallel nehmen physische Risiken zu. Extremwetter Cyberangriffe und operative Störungen treffen vor allem Stromnetze. Jährlich sind Hunderte Millionen Haushalte von Unterbrechungen betroffen und in einem Großteil der Fälle sind Übertragungs und Verteilnetze das Nadelöhr.

Zeitalter des Stroms

Die Internationale Energieagentur spricht ausdrücklich vom Age of Electricity. Die Stromnachfrage wächst deutlich schneller als der gesamte Energieverbrauch. Bis 2035 steigt der weltweite Stromverbrauch im Current Policies und im Stated Policies Scenario ungefähr um 40 Prozent im Net Zero Pfad sogar um mehr als 50 Prozent. Treiber sind Klimatisierung Elektromobilität Wärmepumpen neue Industrieprozesse Rechenzentren und Anwendungen rund um Daten und künstliche Intelligenz. Rund die Hälfte der globalen Energieinvestitionen fließt bereits in Stromerzeugung und Elektrifizierung der Endverbraucher. Allerdings hinken Netze und Flexibilitätsoptionen hinterher. Während die jährlichen Investitionen in Erzeugung seit 2015 stark gestiegen sind liegen Grid Investitionen noch deutlich darunter. Die Folge sind Netzengpässe verzögerte Netzanschlüsse von Wind und Solar steigende Systemkosten häufigere Abregelung und mehr Phasen negativer Preise an Großhandelsmärkten. Batteriespeicher wachsen dynamisch und liefern wichtige Kurzfrist Flexibilität. Sie können aber saisonale Schwankungen und Strukturreserven nicht allein abdecken. Steuerbare Kapazität und Nachfrageflexibilität bleiben systemkritisch.

Regionale Verschiebungen

Das Zentrum der Energienachfrage verschiebt sich weiter. Die Dynamik verlagert sich von den klassischen Industrieländern und China hin zu Indien Südostasien Teilen des Nahen Ostens Lateinamerika und Afrika. Diese Länder treiben künftig einen großen Teil des Wachstums bei Fahrzeugbestand Stromverbrauch und Industrie. Viele dieser Regionen verfügen über sehr gute Solareinstrahlung aber oft nur über begrenzte eigene Öl und Gasressourcen. Das verstärkt den Anreiz für den Ausbau von Solar und anderen erneuerbaren Technologien und erhöht gleichzeitig den Strombedarf für Kühlung. China bleibt dennoch der größte Markt und Hersteller für erneuerbare Technologien. Ein erheblicher Teil des globalen Zubaus an Solar und Batteriekapazität sowie ein wachsender Anteil der Exporte von Elektrofahrzeugen kommt von dort. Das senkt Kosten global schafft aber auch neue Abhängigkeiten in den Wertschöpfungsketten der Energiewende.

Öl: Kurzfristig wirken die Ölmärkte gut versorgt. Produktion in den Amerikas wächst stark und die Nachfrage steigt nur moderat. Mittelfristig laufen jedoch natürliche Förderrückgänge in bestehenden Feldern durch und erfordern zusätzliche Projekte. Im Current Policies Scenario wächst die globale Ölnachfrage bis 2050 weiter und erreicht Werte im Bereich von gut 110 Millionen Barrel pro Tag. Im Stated Policies Scenario bildet sich um das Jahr 2030 ein Plateau in etwa bei gut 100 Millionen Barrel pro Tag bevor die Nachfrage langsam sinkt. Wichtige Treiber für die Wende sind Elektromobilität Effizienz und Substitution im Straßenverkehr.

Gas: Seit der Gaskrise wurden enorme Investitionen in neue Flüssiggas Kapazitäten angestoßen. Bis 2030 kommt eine Welle neuer Exportterminals auf den Markt mit Schwerpunkten in den Vereinigten Staaten Katar und Kanada. Im Stated Policies Scenario reicht die Nachfrageentwicklung in Europa und China jedoch nicht aus um alle neuen Mengen aufzunehmen. Daraus ergibt sich zur Dekade Mitte ein Angebotsüberhang. Ein Teil wird in preissensorische Märkte wie Indien und andere Teile Asiens umgelenkt was den Preis dort senkt und Kohle zu Gas Wechsel begünstigt.

Kohle: Die Perspektive für Kohle wird vor allem in Asien entschieden. In Emerging Markets vor allem in China Indien Indonesien und Südostasien fließt etwa die Hälfte des globalen Kohleverbrauchs in die Stromerzeugung. Im Stated Policies Scenario sorgt ein sehr hoher Zubau an erneuerbaren Kapazitäten in diesen Regionen für einen strukturellen Rückgang des globalen Kohlebedarfs. Im Current Policies Scenario bleiben Netzintegration und Systemflexibilität weiter limitierend was dazu führt dass Kohle länger im System bleibt.

Erneuerbare: Unabhängig vom Szenario wachsen erneuerbare Energien schneller als jede andere große Energieträgergruppe. Solar Photovoltaik führt den Zubau an gefolgt von Wind Wasser Biomasse und Geothermie. Im Current Policies Scenario decken erneuerbare Energien trotz Gegenwind noch immer den größten Anteil des zusätzlichen Energiebedarfs. Im Stated Policies Scenario bleibt der globale Ausbau sehr dynamisch und nähert sich bis 2030 dem Ziel einer Verdreifachung der erneuerbaren Kapazität gegenüber 2022 an.

Nuklearenergie: Nach zwei Jahrzehnten Stagnation erlebt Nuklearenergie eine Renaissance. Mehr als 40 Länder beziehen Atomkraft wieder in ihre Strategien ein oder verstärken ihr Engagement. Weltweit befinden sich über 70 Gigawatt an neuer Leistung im Bau. Gleichzeitig entstehen neue Geschäftsmodelle rund um kleine modulare Reaktoren oft mit Fokus auf die Versorgung energieintensiver Rechenzentren. Insgesamt steigt die globale Nuklearkapazität bis 2035 voraussichtlich um mindestens ein Drittel.

Emissionen: Rund 730 Millionen Menschen verfügen weiterhin über keinen Zugang zu Strom. Emissionsseitig erreichen energiebedingte Kohlendioxid Emissionen im Jahr 2024 einen Rekordwert von rund 38 Gigatonnen. Im Current Policies Scenario verharren sie etwa auf diesem Niveau und führen gegen Ende des Jahrhunderts zu einer Erwärmung von beinahe drei Grad. Im Stated Policies Scenario fallen sie bis Mitte des Jahrhunderts auf Werte unter 30 Gigatonnen was etwa einem Pfad von zweieinhalb Grad entspricht. Im Net Zero Szenario ist aufgrund der hohen Emissionen der letzten Jahre ein Überschießen über 1 Komma 5 Grad unvermeidlich. Eine Rückkehr unter diese Marke bis 2100 gelingt nur durch sehr schnelle Transformationsschritte und den massiven Einsatz von Methoden zur Kohlendioxid Entfernung die heute noch nicht im großen Maßstab erprobt sind.

Chart: LNG Exportkapazitäten bis 2030: Die IEA zeigt die LNG Exportkapazitäten der Vereinigten Staaten Katars und Australiens von 2005 bis 2030 in Milliarden Kubikmetern pro Jahr. Die USA starten bis Mitte der 2010er Jahre praktisch bei null, steigen dann sehr dynamisch an und überholen um die Mitte der 2020er zunächst Australien und bis 2030 klar auch Katar, sodass sie mit knapp 300 Milliarden Kubikmetern projiziert größter Exporteur werden. Katar baut seine Kapazitäten vor allem bis etwa 2011 stark aus und verharrt danach lange bei gut 100 Milliarden Kubikmetern, bevor die Projektionen einen moderaten weiteren Anstieg zeigen, während Australien seine Kapazitäten bis etwa 2020 auf rund 120 Milliarden Kubikmeter erhöht und danach nur noch leicht zunimmt.

PDF: https://iea.blob.core.windows.net/assets/5306bae2-1f99-402f-8d14-542bfa0ae96e/WorldEnergyOutlook2025.pdf

Webinar: https://www.youtube.com/watch?v=wlkPAr0L65A&t=2s