In einer aktuellen Studie des Oxford Institute for Energy Studies („The Global Outlook for Gas Demand in a $6 World“) entwerfen die Autoren ein Szenario einer „6-Dollar-Welt“, also eines dauerhaften Rückgangs des Gaspreises von 8 auf 6 US-Dollar/MMBtu (rund 20 €/MWh), und untersuchen, wie stark die Gas- bzw. LNG-Nachfrage bei einem solchen Preisniveau ansteigen würde. Analysiert werden die großen Importregionen: Europa, China, Indien, Japan/Korea/Taiwan (JKT), Emerging Asia, Afrika und Lateinamerika. Nordamerika, Russland und der Nahe Osten sind aufgrund ihrer bereits sehr niedrigen Inlandspreise nicht Teil der Betrachtung.
Global zeigen die Ergebnisse eine zusätzliche LNG-Importnachfrage von 26,5–94 Milliarden Kubikmetern (bcm) bis 2030 bzw. 62,5–177,5 bcm bis 2035. Etwa die Hälfte dieses Zuwachses entfällt auf den Stromsektor (insbesondere in JKT und Emerging Asia), der Rest auf Gebäude- und Transportsektor (vor allem in China und Indien) sowie auf die Industrie in China, Indien und Lateinamerika. In Europa verschiebt sich Gas dagegen zunehmend in die Rolle eines Backups für fluktuierende Erneuerbare. Selbst bei 6 US-Dollar/MMBtu ist Europa daher kein zentraler zusätzlicher LNG-Nachfragetreiber: Gas bleibt wichtig, aber primär als Flexibilitätsoption; Klimaziele, Kohleausstieg und EE-Ausbau begrenzen den Preishebel.
Ein zentraler Punkt der Studie ist die Auslastung der weltweiten LNG-Exportkapazitäten (Anteil der tatsächlich genutzten gegenüber der maximal möglichen Kapazität), weil sie entscheidend beeinflusst, welches Preisniveau dauerhaft realistisch ist. Im OIES-Base-Case (ohne zusätzlichen Preiseffekt) werden die globalen LNG-Anlagen bis 2030 auf etwa 85,5 Prozent und bis 2035 auf 86,5 Prozent ausgelastet, ein komfortabler Angebotsüberhang. Sobald man jedoch die zusätzliche Nachfrage berücksichtigt, die durch ein Preisniveau von 6 US-Dollar/MMBtu ausgelöst würde (rund plus 60 bcm bis 2030 und plus 120 bcm bis 2035), steigt die angenommene Auslastung auf etwa 92 Prozent im Jahr 2030 und auf 99 Prozent im Jahr 2035. Eine nahezu vollständige Auslastung (rund 99 Prozent) passt historisch eher zu Phasen knapper Versorgung und höherer Preise als zu einem dauerhaft entspannten 6-Dollar-Umfeld.
Für den europäischen Markt heißt das: Ein 6-Dollar-Szenario ist zwar denkbar, aber keineswegs garantiert. Es hängt maßgeblich davon ab, wie viel der neuen Kapazitäten tatsächlich als Reserve statt in Vollauslastung gefahren wird und wie stark Europa letztlich vom zusätzlichen LNG-Zufluss profitiert.