Aufgrund der steigenden LNG-Abhängigkeit steht der europäische Gasmarkt vor einem strukturellen Risiko, das in seiner Tragweite unterschätzt wird. Während der TTF-Gaspreis aufgrund milder Witterung, starker LNG-Importe und schwacher asiatischer Nachfrage auf das Preisniveau aus Februar 2024 gefallen ist, hat sich der US-Gaspreis Henry Hub seit Mitte Oktober um 80 Prozent verteuert und notiert auf dem höchsten Stand seit Dezember 2022. Der Spread ist für den Januar-Future auf rund 4,7 US-Dollar/MMBtu oder 13,8 Euro/MWh geschrumpft. Dies ist ein Niveau, bei dem erste US-LNG-Kontrakte bereits unwirtschaftlich werden. Verschärfend kommt hinzu, dass laut Kpler-Daten ein erheblicher Teil der europäischen LNG-Versorgung über Spotverträge erfolgt, was die Anfälligkeit für kurzfristige Angebotsverknappungen erhöht (siehe Abbildung). Zu beachten ist in dem Zusammenhang, dass die australische Regierung eine Überarbeitung der Gasmarktregeln plant, die voraussichtlich ab 2026 stärkere Priorität für die Versorgung des heimischen Ostküstenmarkts vorsehen könnte, was LNG-Exporte einschränken würde. Ziel der Reform ist es, Versorgungssicherheit und faire Preise im Inland zu gewährleisten, ohne bestehende Exportverträge zu verletzen.
Unsere Einschätzung: Der jüngste Preisrückgang bei TTF Gas könnte zum Boomerang werden. Das politische Risiko von US-Exportrestriktionen wird unterbewertet. Sollte der Spread weiter fallen oder politischer Druck auf die Trump-Administration wachsen, könnten US-LNG-Exporte administrativ gedrosselt werden. Die "Affordability"-Krise vor den Midterm-Wahlen 2026 macht dieses Szenario realistischer als viele annehmen.