Deutsche Konjunktur: Die nächste Enttäuschung naht

July 12, 2025

Es ist erst wenige Wochen her, als der Chef der Förderbank KfW, Stefan Wintels, davon sprach, dass er in seinen mehr als 30 Berufsjahren noch nie einen so rasanten Stimmungswechsel miterlebt habe. Der "Regierungswechsel" im Februar dieses Jahres und die damit verbundenen „Sondervermögen des Bundes“ mündeten denn auch in einer spürbaren Aufwärtsrevision der BIP-Perspektiven 2026. Mitte Juni erhöhte bspw. das ifo-Institut seine Wachstumsprognose für Deutschland um 0,7 PP auf 1,5%. Damit schloss das Münchener Institut aber "lediglich" zu den übrigen Forschungsinstituten auf.

Dass die Forscher und Forscherinnen ähnlich wie zahlreiche Chef-Volkswirte bei Banken und Versicherungen mit Blick nach vorn „strukturell“ positiv gestimmt sind, ist ein wiederkehrendes Ritual, das gerade in Bezug auf Deutschland in den letzten Jahren (aber auch schon davor) meist nur auf Hoffnung beruhte. Es steht nun leider zu befürchten, dass sich das Muster der Vorjahre wiederholt, nämlich dass die BIP-Prognosen wieder nach unten genommen werden müssen. Natürlich erfolgt zwar schon rein mathematisch über die schuldenfinanzierten Mehrausgaben des Bundes vor allem in Verteidigung ein konjunktureller Impuls. Jenseits dessen haben sich aber die Bedingungen für die deutsche Wirtschaft merklich verschlechtert und was noch mehr verwundert ist, dass dies von Ökonomen oder in der Wirtschaftspresse kaum thematisiert wird.

Es ist noch nicht allzu lange her, dass der Wechselkurs des (handelsgewichteten) Euros als die mit Abstand wichtigste Einflussgröße für die Prognose der exportorientierten deutschen Wirtschaft tituliert wurde. Das ist aktuell nicht viel anders. Seit Jahresbeginn bzw. dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump hat der Euro ggü. dem US-Dollar allerdings massiv und zwar 13% an Wert eingebüßt – sprich deutsche Produkte werden damit für ausländische Käufer deutlich teurer. Das gilt vor allem dann, wenn es sich bei der Euroaufwertung nicht um ein kurzfristiges Phänomen handelt, sondern sich im Zeitablauf verfestigen sollte. Diese wird leider nicht dadurch kompensiert, dass die Weltwirtschaft, insbesondere die USA und China, spürbar wachsen.

Darüber hinaus sind die Leitzinssenkungen der EZB bereits beendet oder sehr nahe ihrem Ende. Diese werden vom Gros der Ökonomen als weiteres Argument für einen bevorstehenden, wie auch immer gearteten Aufschwung angeführt. Die Leitzinssenkungen haben jedoch nicht dazu geführt, dass auch die für die Investitionsentscheidungen wichtigen langfristigen Zinsen spürbar gefallen sind. Vielmehr schwankt die Rendite 10j. Bundesanleihen seit 2023 grob zwischen 2% und 3% und ist seit November letzten Jahres und jüngst auch am Reihenende sogar merklich angestiegen. Wie vom festen Euro geht also auch hiervon sogar ein dämpfender Effekt auf die deutsche (und europäische) Wirtschaft aus. Auch von den Rohstoffpreisen ist keine Hilfe zu erwarten. Auch wenn diese sich im Vergleich zu den Vorjahren günstiger präsentieren, ist dieser Effekt bereits aufgebraucht und ein neuer Impuls aktuell nicht gegeben.

Vor diesem Hintergrund muss daher (leider) festgehalten werden, dass abgesehen von fiskalischer Seite von den üblichen Faktoren, die einen Aufschwung einleiten, nicht nur kein Impuls ausgeht, sondern sogar eine Belastung. Erschwerend kommt hinzu, dass die Komponente „Hoffnung“, die nur allzu gerne bemüht wird, in erneute Resignation zu kippen droht, wenn hierfür die jüngsten Maßnahmen des Bundes sowie das Bild der derzeit regierenden Koalition in der Öffentlichkeit herangezogen wird. Auch die Erhöhung des Mindestlohns, so sehr man dies den betroffenen Menschen gönnt, verbessert nicht die Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität der Kleinbetriebe und des Mittelstandes. Darüber hinaus werden die für die deutsche Wirtschaft viel wichtigeren Rahmenbedingungen wie Bürokratieabbau, Reform der Sozialsysteme oder wettbewerbsfähiges Steuersystem nicht oder nur unzureichend angegangen, auch wenn die erhöhte Abschreibungsmöglichkeit den Unternehmen kurzfristig hilft. Ein selbsttragender, breit angelegter Aufschwung ist daher nicht in Sicht. Der Chef des ifo-Instituts, Clemens Fuest, hat jüngst hierfür die aus unserer Sicht richtigen, mahnenden Worte gefunden https://www.ifo.de/standpunkt/2025-07-04/die-finanzpolitik-der-koalition-ist-noch-nicht-ueberzeugend.