CBAM-Benchmarks vor Revision: Industrieentlastung, Marktreaktionen und internationale Kritik

November 18, 2025

Management Summary

• Geplante CBAM-Benchmark-Senkungen: Die EU-Kommission will die Emissionsbenchmarks für den CO2-Grenzausgleich (CBAM) ab 2026 reduzieren. In Sektoren wie Zement, Stahl, Aluminium, Düngemittel und Wasserstoff sollen die Grenzwerte teils über 30 Prozent unter bisherigen Prognosen liegen, um die Industrie zu entlasten und Carbon Leakage zu vermeiden.

• Marktreaktion (EUA-Preis): Der EUA-Markt reagierte nervös auf die Aussicht höherer kostenloser Zuteilungen. Der EUA-Preis rutschte zeitweise unter 80 Euro/t CO2, stabilisiert sich am Dienstagvormittag aber wieder oberhalb der psychologischen 80-Euro-Marke und der intakten Aufwärtstrendgerade seit Mitte August bei aktuell 79 Euro/t CO2.

• Internationale Perspektive: Bei der COP30 betont die EU, CBAM sei kein einseitiges Instrument. Dennoch kritisieren China, Indien und andere Schwellenländer den Mechanismus als Verstoß gegen das „gemeinsame, aber differenzierte“ Klimaprinzip. Entwicklungsstaaten fordern im UN-Rahmen eine Bewertung solcher Maßnahmen. Gleichzeitig planen Länder wie Großbritannien und Norwegen eigene CO2-Grenzausgleiche. Die Debatte verdeutlicht den schmalen Grat zwischen Klimaschutzambition und handelspolitischen Spannungen.

EU senkt CBAM-Benchmarks zum Schutz der Industrie

Ein geleakter Entwurf sieht teilweise deutlich niedrigere CBAM‑Benchmarks vor im Vergleich zu den Übergangswerten der ersten CBAM-Phase, die sektor- und produktbezogen differenzieren (Quelle: Carbon Pulse). Die neuen ETS-Benchmark-Entwürfe für 2026–2030 zeigen einen geringeren Rückgang der Emissionsintensität als erwartet, was zu einer höheren kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten für die Industrie führen könnte. Analysten von BloombergNEF senkten daraufhin ihre EUA-Preisprognosen, da bis zu 481 Millionen Tonnen CO2 kostenlos zugeteilt werden könnten, deutlich mehr als in früheren Szenarien. Andere Analysten wie Energy Aspects sehen jedoch keine wesentliche Veränderung ihrer Prognosen und erwarten weiterhin einen durchschnittlichen Preis von 103 Euro/t CO2 im Zeitraum 2026-30. Die EU-Kommission bestätigt mit dem Entwurf einen ETS-konformen Ansatz ohne zusätzliche CBAM-Verschärfungen, was die Befürchtungen einer zu strengen Auslegung zerstreut. Für Importeure steigt der Druck dennoch, Emissionsdaten offen zu legen, da ansonsten hohe CBAM-Kosten drohen, besonders in emissionsintensiven Branchen und Ländern mit kohlenstoffreicher Stromerzeugung. Die finale Entscheidung 2026 ist vorgesehen, mit rückwirkender Anwendung ab 2026.

Die sektoralen Auswirkungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

• Im Zementsektor liegen die Emissionsintensitäten für grauen Klinker bei rund 0,693 tCO2e/t und damit etwas unter den bisherigen Übergangswerten, während Weißklinker mit etwa 0,957 tCO2e/t deutlich höhere Werte aufweist, was vor allem auf höhere Prozessemissionen und eine zuvor fehlende Differenzierung zurückzuführen ist.

• Im Wasserstoffsektor fallen die Benchmarks auf etwa 6,84 tCO2e/t und damit deutlich unter die bisherigen Werte von 10 bis 11 tCO2e/t

• Der Düngemittelsektor zeigt die stärksten Rückgänge bei Ammoniak, Salpetersäure, Harnstoff, Ammoniumnitrat und Verbunddüngern: Die Übergangswerte von 1,0 bis 1,7 tCO2e/t werden durch die neuen Benchmarks klar unterschritten

• Im Eisen- und Stahlsektor sinken die Emissionsintensitäten über alle Herstellungsverfahren deutlich.

- Für das Hochofen-BOF-Verfahren liegen die ETS-Benchmarks für CBAM nun bei 1,4 bis 1,7 tCO2e/t gegenüber früheren Übergangswerten von 2,2 bis 2,8 tCO2e/t

- DRI/EAF-Verfahren erreichen Werte von 0,9 bis 1,2 tCO2e/t statt der bisherigen 1,3 bis 1,6 tCO2e/t

- Schrott-basierte EAF-Verfahren bleiben mit 0,21 bis 0,40 tCO2e/t im Rahmen der bisherigen Annahmen bleiben.

- Im Aluminiumsektor liegen die Übergangswerte für primäres Aluminium weiterhin bei über 16 tCO2e/t, bedingt durch die Berücksichtigung indirekter Stromemissionen.

EUA-Markt unter Druck durch erwartete Gratiszertifikate

Die Diskussion um deutlich niedrigere Benchmarks könnte zu einer höheren kostenlosen Zuteilung im EU-ETS 1 ab 2026 führen, was die Nettokaufnachfrage nach EUAs dämpfen würde. Der EUA-Preis rutschte daraufhin zeitweise unter die Marke von 80 Euro/t CO2. Charttechnisch bleibt die 80-Euro-Marke eine wichtige psychologische Unterstützungsmarke, die am Dienstagvormittag wieder überschritten wird. Aufgrund des intakten Aufwärtstrends werden Kursrücksetzer von den Marktteilnehmern weiterhin als Kaufgelegenheit wahrgenommen werden („Buy the Dip“). Bei 79 Euro/t CO2 verläuft zudem der intakte Aufwärtstrend seit Mitte August. Hier befindet sich auch die Nackenlinie einer potenziellen Doppeltop-Formation (78,91 Euro/t CO2).

Globale Reaktionen: Zwischen Akzeptanz und Widerstand

Auf internationaler Bühne verteidigt die EU den CBAM als notwendigen Schritt und betont auf der COP30, das Instrument solle Teil einer multilateralen Lösung werden. Doch große Schwellenländer wie China und Indien kritisieren diesen Alleingang scharf: Er beschneide ihre politische Autonomie und verletze das Pariser Prinzip der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten“. Indien fordert etwa eine Ausnahme für seine Exporte. Dieses Ansinnen wird Brüssel aber voraussichtlich ablehnen, was neues Konfliktpotenzial birgt.

Zugleich formiert sich eine breitere Front von Entwicklungs- und Schwellenländern, die im UNFCCC ein Forum zur Bewertung unilateraler CO2-Maßnahmen verlangen. Afrikanische Vertreter sprechen von einem Paradoxon: CBAM fördere zwar globale Dekarbonisierung, belaste aber rohstoffbasierte Volkswirtschaften. Sie drängen daher auf Flexibilität und Unterstützung.

Währenddessen folgen andere Industrienationen dem EU-Beispiel: Großbritannien und Norwegen planen eigene CO2-Grenzausgleichssysteme, weitere Länder ziehen ähnliche Schritte in Betracht. Viele Beobachter sehen darin einen Trend: Die CO2-Intensität von Produkten könnte bald ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein. Selbst Kritiker im globalen Süden räumen ein, dass CO2-Grenzabgaben langfristig kommen dürften, pochen jedoch auf eine faire Umsetzung.